DIE JUGEND VON HEUTE
19.1.17
Für uns war es in der Grundschule und sogar noch in der Oberstufe selbstverständlich: der Eintrag ins Freundebuch. Die Jungs hatten welche mit Piraten, Fußballern oder von den Wilden Kerlen. Ich hatte eins von Conni und später fürs Gymnasium eins von Diddl. In der Oberstufe habe ich mir sogar noch ein drittes Freundschaftsbuch zugelegt, um alle meine Freunde der letzten acht Jahre zu sammeln. Sobald wir selbst Lesen und Schreiben konnten galt es also auszufüllen wie wir heißen, wann wir geboren wurden, wo wir wohnen und wie unsere Telefonnummer lautet. Deshalb erschreckt es mich umso mehr, dass heute viele Kinder und Jugendliche genau das nicht mehr tun können.
Es ist ein schwerwiegendes und schockierendes Problem, welches ich immer wieder auf der Paintballanlage feststellen muss. Oft begegne ich den Kids damit, sie selbst darüber in Verlegenheit zu bringen und zu sagen: "Mensch, ihr seid doch schon *füge beliebiges Alter ein* und kennt nicht eure Telefonnummer oder wisst, wo ihr wohnt?" Ich hoffe sie damit ein wenig ins Grübeln zu bringen, sodass sie beim nächsten Mal wenn sie zu uns kommen alles tadellos ausfüllen können. Mehr liegt allerdings auch nicht in meiner Macht.
Ich jobbe neben dem Studium außer für zwei Stadtteilmagazine noch auf einer Paintballanlage. Dort
leiht man sich Schutzkleidung und Spielzeugpistolen aus und lädt diese mit
Farbkugeln, die zerplatzen wenn sie einen Gegner treffen. Paintball ist ein
Spiel, bei dem es darum geht möglichst viele Gegner mit den Farbkugeln zu
„markieren“. Bei uns ist Paintball ab 12 Jahren freigegeben und jeder Spieler
muss bevor es losgeht ein Formular mit seinen wichtigsten Daten, wie Name,
Straße und Postleitzahl, Rufnummer und der Unterschrift ausfüllen. Es ist also genau dasselbe, wie in ein Freundebuch zu schreiben.
Was mich dabei immer wieder schockiert ist, dass
tatsächlich die Mehrheit der Kinder sogar mit 14 Jahren oder älter weder ihre
Anschrift kennen, noch wissen, was mit der Abkürzung „PLZ“ oder „Rufnummer“
gemeint ist. Stattdessen reden sie nach dem Spiel von „Headshots“ (Kopftreffer)
oder „Kills“ (Tötungen), die sie im Spiel gemacht haben. Oft sind die
begleitenden Eltern dann peinlich berührt, schütteln den Kopf oder lachen
verlegen über ihre Sprösslinge. Dabei ist es ein absolutes Muss diese simplen Dinge zu wissen.
Stellt euch diese Kinder doch mal in einer
Ausnahmesituation vor, in der sie den Notruf wählen müssen und nicht sagen
können, wie ihre Straße heißt. Der Fakt, dass viele Kinder heutzutage nicht mal
mehr wissen wie ihr Telefonnummer oder die Postleitzahl ihrer Wohngegend
lautet, ist nicht nur peinlich, sondern auch gefährlich.
Deshalb frage ich mich oft nach der Arbeit auf der
Paintballanlage wieso die Eltern keinen Wert mehr darauf legen, ihren Kindern
diese Daten einzuflößen oder auch, ob die Schulen von diesem Problem überhaupt
wissen. Bei mir wurden in der Schule früher Freundebücher ausgetauscht, in die
man seine Daten eintragen musste und man hat sich blöd gefühlt, wenn man nicht
aufschreiben konnte wo man wohnt, weil man es nicht wusste. Ist das heute etwa
der Normalzustand? Muss man in der 5. Klasse heutzutage keinen Steckbrief mehr von sich machen, wo auch alle diese Daten hinein gehören, um sich den anderen Kindern vorzustellen? Üben Eltern und Lehrer keine Notrufe mehr mit den Kindern oder Briefe schreiben, wofür sie auch alle diese Dinge wissen müssen?
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