LIFE UPDATE - MEIN FAZIT NACH DREI MONATEN PRAKTIKUM BEIM GÖTTINGER TAGEBLATT
26.10.17
{Werbung, unbeauftragt}
Ich habe
bestimmt ein halbes Jahr lang nach einem Praktikumsplatz in einer Text- oder
Online-Redaktion gesucht. Für mich war von Anfang an klar, dass ich ein
zwölfwöchiges Praktikum einem sechswöchigen vorziehen werde. Es musste sich
lohnen und ich wollte nicht nach sechs Wochen Eingewöhnung aus meinem neuen
Alltag gerissen werden. Aber ich hätte nie damit gerechnet, dass es so
schwierig werden würde, einen Praktikumsplatz zu bekommen. Teilweise haben sich
die Firmen oder Einrichtungen nicht mal zurückgemeldet! Schließlich bin ich
über Kontakte auf das Göttinger Tageblatt (GT) gestoßen und habe mich dort
beworben. Nach einem kurzen Vorstellungsgespräch in Göttingen war es sicher,
dass ich in der Redaktion vom Tageblatt mein Pflichtpraktikum machen werde.
Meine Wohnungssuche in der Universitätsstadt verlief glücklicherweise sehr viel
schneller als die Suche nach einem Praktikumsplatz. Für mich kam nicht in Frage
jeden Tag von Hildesheim nach Göttingen zu pendeln. Ich hatte das Glück eine
Ein-Zimmer-Wohnung mieten zu können von einer Studentin, die es für ihr
Praktikum nach Braunschweig verschlagen hatte.
Meine Erwartungshaltung an das Praktikum war von Vornherein, dass ich mir
nicht aussuchen kann, über welche Themen ich schreiben werde. Ich war nicht in
der Position, Forderungen auf jeglichen Ebenen zu stellen und das war
verständlich und in Ordnung. Ich war da, um zu lernen und aufzupassen. Ich
wollte meinen Schreibstil verbessern, erfahren, wie es ist, tagtäglich als
Journalistin zu arbeiten, die unterschiedlichsten Leute kennenlernen und an den
Herausforderungen wachsen, die das GT mir hoffentlich stellen würde. Und das GT
hat einen guten Ruf, erreicht viel mehr Menschen, als beispielsweise die
Hildesheimer Allgemeine Zeitung und ist angeblich auch moderner in vielerlei
Hinsicht. Trotzdem wollte ich eigentlich nie in einer Tageszeitung arbeiten,
geschweige denn dort ein Praktikum machen. Die Stadtteilmagazine „Wir
Ochtersumer“ und „Wir Himmelsthürer“ werden beide jeweils einmal im Monat
herausgegeben. Ich war es also nicht gewohnt, täglich Nachrichten zu
produzieren und stellte es mir im Vornherein sehr anstrengend vor. Diese
Erwartung sollte auch erfüllt werden.
Zum Alleinsein
Das erste Mal in
Göttingen war ich 2012 zum Ed Sheeran-Konzert. Dann ein Jahr später mit meiner
Schulklasse, weil wir uns den Campus der Universitätsstadt anschauen sollten.
Ich hätte aber nie gedacht, dass es mich mal dorthin verschlagen würde. Und
erst recht nicht, dass ich ausgerechnet in Göttingen meine erste Wohnung haben
sollte. Obwohl die Universitätsstadt ja bekanntlich an Wohnungen keine große
Auswahl hat, habe ich für meine drei Monate schnell eine Bleibe gefunden. Ich
habe bereits in meinem Post einen Monat nach Praktikumsbeginn erzählt,
wie ich es in meiner Ein-Zimmer-Bude genossen habe. Und in meinem Beitrag über Heimatliebe, wie ich mich
gefühlt habe, in Göttingen irgendwie festzusitzen. Tatsächlich gab es nichts
dazwischen. Entweder habe ich die Tage gezählt und mich auf meine Familie und
Freunde gefreut. Oder aber ich war froh darüber, nur mit mir allein zu sein.
Ich bin gespannt, wann mein Kopf es realisiert, dass ich nicht wieder nach
Göttingen zurückkehre und stattdessen wieder bei meinen Eltern wohne. Aber
erstmal versuche ich die Zeit zu genießen, die ich noch zu Hause wohne. Auch
wenn ich mir oft meine eigene erste richtige Wohnung vorstelle und wünsche.
Zu meinen Erfahrungen beim Göttinger Tageblatt
Gleich in meiner ersten Woche beim GT Anfang Juli 2017 durfte ich
mein erstes Interview führen und damit meinen ersten großen Artikel schreiben.
Dabei lernte ich ein Ehepaar kennen, das Eiserne Hochzeit feierte und somit
schon seit 65 Jahren verheiratet ist. Von solchen Interviews sollte ich noch
drei weitere führen. Bestimmt waren diese Artikel für das Ressort Lokales, für
das ich in meinen drei Monaten hauptsächlich schrieb. Auch den
Redaktions-Bereichen Sport, Kultur, Campus und Wirtschaft durfte ich mehrere
Besuche abstatten. Ich habe Kurzmeldungen, Ankündigungen und Vorberichte
geschrieben, Interviews geführt, an Pressekonferenzen teilgenommen und für
unterschiedliche Themen recherchiert. Als
der Dauerregen ganz Deutschland unter Wasser gesetzt hat, bin ich für den
Live-Ticker auf der Website des GT durch den Landkreis Göttingen gefahren, um
die Lage vor Ort zu checken. Jeden Tag um 10 und 14 Uhr gab es
immer eine Konferenz mit der gesamten Tageblatt-Redaktion, bei der die Themen
für die morgige Ausgabe besprochen wurden. Ich musste auch daran teilnehmen.
Oft wurden während der Konferenz noch Aufgaben und Themen verteilt. Die
Texte der freien Journalisten und Praktikanten mussten immer von den
Festangestellten redigiert (auf Fehler geprüft) werden, bevor wir sie
abschicken durften. Aber ansonsten wurde ich nahezu genauso behandelt wie die
anderen Redakteure. Das erfüllt einen im ersten Moment zwar irgendwie mit
Stolz. Jedoch fragte ich mich im Nachhinein oft, was der Beruf des Journalisten
heute noch wert ist. Praktikanten wie ich, die keine Ausbildung zum Journalist
haben oder ein klassisches Journalisten-Studium absolvieren, müssen dieselbe
Arbeit leisten wie die festangestellten Mitarbeiter, die sich vor 30 Jahren
dazu haben ausbilden lassen. Ein Ressortleiter hat mich auch deswegen gelobt,
weil ich quasi ohne Arbeitserfahrung dieselbe Leistung bringen soll (und kann)
wie alle anderen. Auch er räumte ein, dass diese Arbeitssituation eigentlich
nicht richtig ist. Natürlich war mein Umfang an Arbeit und meine Bezahlung ein
anderer. Aber schon an meinem ersten Tag sollte ich ans Telefon gehen und
Informationen geben können, bloß niemandem "von außen" sagen, dass
ich eine Praktikantin sondern eine freie Mitarbeiterin bin und genauso Artikel
schreiben, wie alle anderen in der Redaktion auch. Nicht einmal bei meiner
Bewerbung wurde darauf geachtet, ob ich überhaupt gute Texte schreiben kann.
Neben mangelnder Kommunikation, war ich aber von einem Punkt noch mehr enttäuscht. Ich hätte mir gewünscht, dass bei einer so großen Tageszeitung wie dem GT, die so viele Menschen erreicht, auch große Themen angesprochen werden. Sicher gehören Wirtschaft, Lokales, Sport, Campus und Kultur zu wichtigen Bereichen, die in einer Tageszeitung nicht fehlen dürfen. Und sicher ist den Menschen, die in ihrem 500-Seelen Ort ein Theaterstück auf die Beine stellen, ein Bericht über sie auch von großem Wert. Nur habe ich gehofft es werden ab und zu Themen angesprochen, die generell in unserer Gesellschaft noch zu oft verschwiegen werden. Ich rede von unbequemen Themen wie Bodyshaming, Rassismus, Sexismus, Ausbeutung und Tierversuchen. Ich bin einfach der Meinung, wenn man schon ein so großes Publikum hat, dann muss man es auch nutzen. Und das tut man in meinen Augen nicht unbedingt, indem man darüber schreibt, dass Herzogin Kate und Prinz William ihr drittes Kind erwarten. Sicher ist das ein Problem der Medien, das sich nicht nur auf das GT beziehen lässt sondern auf die meisten (Print-)Medien. Allein in der Rubrik Campus des GT könnte jedoch eine Umfrage wie „Gibt es Vorurteile und/oder Sexismus an der Universität Göttingen?" super hineinpassen, auch wenn es kritisch, problematisch und unbequem durchzuführen ist.
Auch wurde bei meinem Vorstellungsgespräch kein Wort über die Bezahlung
verloren und ich habe mich nicht getraut, dieses Thema anzusprechen. Ich
wusste, in den wenigsten Fällen bekommen Praktikanten Geld für ihre Arbeit und
ich war auch nicht in der Position, Forderungen zu stellen. Nach zwei Wochen
beim GT wurde mir gesagt, dass ich Kilometergeld bezahlt bekäme. Nach sieben
Wochen auf meine Anfrage hin wurde mir gesagt, dass Praktikanten beim GT für
den ersten Monat pauschal 250 Euro bekommen und alles weitere abgesprochen
werde. Da greife eben die Regelung, die ich zu Beginn erwähnte. Da ich eine
Ausnahme war, schien niemand beim GT sich mit meinem Fall befassen zu wollen.
Es gebe unterschiedliche Möglichkeiten, von der Bezahlung auf Zeichen bis zur
Monatspauschale. Erst nach einem daraufhin folgenden Gespräch mit dem
stellvertretenden Chefredakteur habe ich Geld gesehen und ich weiß nicht, was
gewesen wäre, wenn ich zu diesem Zeitpunkt nicht den Mund aufgemacht
hätte. Die Kommunikation in diesem Haus lief in vielerlei Hinsicht nicht
immer einfach. Damit meine ich nicht nur die Bezahlung oder Gespräche über
Formalien, die eigentlich im Vornherein hätten geführt werden müssen. Sondern
auch Terminvergaben, Absprachen und mangelnde Verlässlichkeit. In der zehnten
Klasse hat mein Chemie-Lehrer zu mir gesagt, ich müsse lernen Privates und
Schule zu trennen, das wäre später im Beruf auch gefordert. Bevor ich mein
Praktikum beim GT begann, wurde mir jedoch nicht gesagt, dass ich dort 24/7
abrufbereit sein muss, sobald ich meinen Arbeitsplatz verlasse und Privatem
nachgehe. Dass sich die Mitarbeiter dort selbst so viel Stress und Druck
machen, weil die Organisation und Verlässlichkeit aufeinander nicht zu 100
Prozent gegeben ist. Ich als Praktikantin hatte das Glück, oft zwischen 16 und
18 Uhr Feierabend machen zu können. Und schließlich habe ich auch gesagt, dass
ich durch nichts dazu verpflichtet bin nach Feierabend noch mein privates
Mailkonto zu checken. Ein Arbeitsvertrag lag ebenfalls nicht vor. Bei den
Festangestellten, die btw schätzungsweise 30 Prozent in der Redaktion
ausmachen, waren manche froh, einen Sonntag im Monat nicht zu arbeiten. Das ist
kein Arbeitsalltag, den ich mir wünsche.
Vielleicht klingt es im Nachhinein so, als wären meine drei Monate
als Praktikantin in der Redaktion beim GT schrecklich gewesen und ich hätte
mich quälen müssen. Vielleicht kann man sich denken, dass ich zu hohe
Erwartungen hatte und naiv bin. Vielleicht kann man sich darüber aufregen, was
ich alles fordere, obwohl ich in meinem Leben bis dahin noch nie 40 Stunden die
Woche gearbeitet habe. Aber das stimmt nicht. Vor allem mit meinen Kollegen in
meinem Hauptressort vom Lokalen kam ich gut aus. Ich möchte meinen, dass ich
aber mit jedem in der Redaktion gut klarkam. Das belegt auch meine
Praktikumsbescheinigung. Ich musste mir vieles selbst erfragen und in
Erfahrung bringen, aber jeder hat mir Rede und Antwort gestanden, wenn ich denn
gefragt habe. Ich hätte mir gewünscht, dass Formalien im Voraus geklärt wurden.
Eine Bezahlung von Beginn an, ein richtiger Arbeitsvertrag und ein
Presseausweis wären manches Mal von Vorteil gewesen. Genauso wäre eine
universelle Mailadresse für alle Praktikanten oder freien Mitarbeiter eine gute
Maßnahme, damit wir nicht unseren privaten Mail-Account nutzen müssen. Und ein
bisschen An-die-Hand-Nehmen wäre ab und zu schön gewesen - auch wenn ich
verstehe, dass Journalisten dafür neben ihrer eigentlichen Arbeit nicht viel
Zeit haben. Wobei man sich dann auch darüber streiten könnte, ob in dem Fall
überhaupt Praktikanten beschäftigt werden sollten.
Ich möchte die dreimonatige Erfahrung beim GT nicht missen.
Wiederholen aber auch nicht.
Zu meinen Zukunftsplänen
Ich würde
lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich das Praktikum beim Göttinger
Tageblatt (GT) nicht verunsichert und meinen Berufswunsch, Journalistin zu
werden, nicht erschüttert hätte. 2011 habe ich aus Spaß meinen Blog gegründet,
bis ich 2015 gemerkt habe, dass eine Leidenschaft zum Schreiben, Dokumentieren
und Berichten dahintersteckt. Ich machte 2015 ein sechswöchiges Praktikum und
schreibe seitdem für zwei Magazine in Hildesheim, die einmal im Monat
erscheinen. Ich versuche mich auf „HOMETOWN HERO“ wichtigen Themen zu widmen,
sinnvolle Dinge anzusprechen und Menschen kennenzulernen, die mir ihre
Lebensgeschichten anvertrauen wollen.
Ich bin
mir nicht mehr sicher, ob es ein journalistisches Format gibt, mit dem ich mich
zu 100 Prozent identifizieren kann (abgesehen von „HOMETOWN HERO“). In den
zwölf Wochen beim GT kann ich definitiv von mir behaupten, dass sich mein
Schreibstil verbessert hat und ich viel über das Know-How eines Journalisten
gelernt habe. Ja, mich interessieren viele Themen und ich bin auch in der Lage,
über viele Themen zu schreiben. Meine Offenheit wurde beim GT immer gelobt.
Aber ich möchte mit meinen Artikeln als Journalistin die Menschen zum
Nachdenken anregen. Ich möchte ihnen Probleme aufzeigen, sie mit alltäglichen
persönlichen Krisen konfrontieren und etwas verändern. Das mag wirklich naiv
klingen, aber ich möchte, dass meine Texte etwas in den Menschen auslösen und
bewirken. Auch möchte ich mir Zeit für diese Themen nehmen und deshalb eher in
die Richtung der Produktionen gehen, die einmal in der Woche oder einmal im
Monat veröffentlichen. Ich will nicht für den Rest meines Lebens über
Ankündigungen, Promis, Feste, Rezepte oder die neuesten Trends schreiben und damit
mein Geld verdienen.
Nach
meinem Studium möchte ich 2019 für eine Weile reisen. Hoffentlich habe ich mich
bis dahin entschieden, ob ich sofort ins Berufsleben einsteigen will oder doch
noch meinen Master mache. Letzteres wird es wohl werden, weil die Chancen auf
dem Arbeitsmarkt mit einem Master-Abschluss besser stehen. Ich hatte an
Germanistik oder etwas Ähnliches gedacht, weiß aber bisher noch nicht, ob es
davon einen Master-Studiengang irgendwo in Deutschland gibt. Aber darum muss
ich mich jetzt auch noch nicht kümmern. Im fünften Semester belege ich ein
Seminar, das „Philosophieren mit Kindern" heißt. Schon vor zwei Jahren
habe ich mit dem Gedanken gespielt, eine Ausbildung zur Erzieherin zu machen.
Ich habe mich dann dagegen entschieden, weil ich das immer noch machen kann,
wenn ich denn will - schließlich habe ich meinen Bachelor (hoffentlich) mit 21
Jahren in der Tasche. Jetzt habe ich die Möglichkeit mein Philosophie-Studium
mit Kindern zu verbinden. Vielleicht ergibt sich dadurch ein ganz anderer Weg
für die Zukunft und das Schreiben bleibt dann weiterhin nur ein Hobby.
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